Creditreform SchuldnerAtlas 2017 erschienen
Die Überschuldung von Privatpersonen in Deutschland ist seit 2014 zum vierten Mal in Folge angestiegen, allerdings weniger stark als zu befürchten war - so das Fazit der Creditreform im SchuldnerAtlas 2017.
Kernergebnisse:
- Zum Stichtag 01.10.2017 waren bundesweit 6,9 Mio. Personen über 18 Jahre überschuldet und weisen nachhaltige Zahlungsstörungen auf (+ 0,9% gegenüber 2016). Die Überschuldungsquote beträgt damit 10 %.
- Die Creditrefom beobachtet eine Zunahme der Fälle mit hoher Überschuldungsintensität (vereinfacht: gerichtliche Sachverhalte). Ihre Zahl nahm in den letzten zwölf Monaten um rund 53.000 Fälle zu (+ 1,2 %). Allerdings sinkt der Anstieg der harten Überschuldung im Vergleich zum Vorjahr deutlich. Die Zahl der Fälle mit geringer Überschuldungsintensität (vereinfacht: nachhaltige Zahlungsstörungen) ist ebenfalls leicht gestiegen - um rund 12.000 Fälle (+ 0,5 %).
- Häufigster Auslöser von Überschuldung ist weiterhin die Arbeitslosigkeit (20,2 %), wobei der Auslöser Krankheit und Sucht auch in 2017 zugenommen hat (15,3 %).
- Die Überschuldung im Alter nimmt weiter zu. in 2017 müssen rd. 194.000 Menschen ab 70 J. als überschuldet gelten (+ 20.000; + 12 %). Der Doppeltrend zur Altersarnut und Altersüberschuldung ist trotz einzelner positiver Entwicklungen stabil.
- "Junge Überschuldung" (unter 30 J.) weiterhin auf hohem Niveau.
- Der Trend zur zunehmenden Überschuldungsverhärtung und strukturellen Überschuldung ist stabil. Laut SchuldnerAtlas profitierten 2017 mehr als 4,2 Mio. Menschen in Deutschland offensichtlich nicht oder nur sehr begrenzt von einer positiven Konjunktur- und Beschäftigungsentwicklung. Der Prozess der so genannten Überschuldungsverhärtung kann daher auch als Ausdruck von Marginalisierung und Prekarisierung gedeutet werden, der sich in Form einer Polarisierung zwischen überschuldeten und nicht oder weniger überschuldeten Personengruppen vollzieht. Der Bericht interpretiert die strukturelle Überschuldung als ein Symptom und ein Indikator für die Erosion der Mittelschicht.
Die Sonderauswertung nach Milieuzugehörigkeit zeigt, dass auch in diesem Jahr fast alle neuen Überschuldungsfälle aus der "Mitte der Gesellschaft“ stammen (4,38 Millionen; + 69.000 Fälle) – die Zahl der Überschuldungsfälle aus den "gehobeneren Schichten“ (1,76 Millionen; - 3.000 Fälle) hat in diesem Jahr ebenso wie in den "unteren Schichten“ (Prekäre: 0,77 Millionen; - 1.000 Fälle) leicht abgenommen.
Das diesjährige Sonderthema ("Die angegriffene Mitte“) befasste sich daher auch mit den Folgen von Überschuldung auf Mittelschichtfamilien in Deutschland. Überschuldung zeigt sich in jedem Fall als "massiver Einschnitt in das normale Leben“ und führt die Betroffenen oft genug in eine "Schockstarre“.
Als wichtige Maßnahmen gegen die im Bericht beschriebenen Entwicklungen fordert die Creditreform u.a. die Stärkung und den Ausbau der Schuldner- und Insolvenzberatung, Förderung von Finanzkompetenz insbesondere von jungen und älteren Verbrauchern, die Förderung einer verantwortungsbewussten Kreditvergabe, eine qualifizierte Informationsoffensive zur Überschuldungsproblematik und eine stärkere Einbindung der Überschuldungsforschung in die Armuts- und Bildungsdebatte.
In der Presseinformation vom 09.11.2017 sind die wichtigsten Ergebnisse zusammengefasst.