Bundesrat stimmt Bürgergeld zu
Der Bundesrat hat am 25.11.2022 dem Bürgergeld-Gesetz zugestimmt, das im Vermittlungsausschuss nachverhandelt worden war. Der Bundestag hatte kurz zuvor den Kompromissvorschlag bestätigt und seinen ursprünglichen Beschluss entsprechend verändert.
Das Gesetz wandelt die Grundsicherung für Arbeitssuchende in ein Bürgergeld um. Der so genannte Vermittlungsvorrang wird abgeschafft. Ziel ist eine möglichst langfristige Eingliederung in den Arbeitsmarkt und nicht mehr die schnellstmögliche Vermittlung in eine Arbeitsstelle.
Die Reform gestaltet die Berechnung der Regelbedarfe neu - sie werden künftig nicht mehr rückwirkend, sondern vorausschauend an die Teuerungsraten angepasst. Die Regelbedarfe für das kommende Jahr sind bereits entsprechend berechnet. Ab 01.01.2023 wird etwa ein alleinstehender Erwachsener 502 Euro erhalten - 53 Euro mehr als bisher.
Damit die Leistungsberechtigten sich auf die Arbeitsuche konzentrieren können, enthält das Gesetz eine sogenannte Karenzzeit zu Beginn des Bürgergeldbezuges, die ein Jahr umfasst. Ursprünglich waren zwei Jahre geplant. Die Kosten für die Unterkunft werden in dieser Zeit in tatsächlicher Höhe anerkannt und übernommen, die Heizkosten in angemessener Höhe. Vermögen wird nicht berücksichtigt, sofern es nicht erheblich ist.
Bezüglich der Schonvermögen enthält das Vermittlungsergebnis ebenfalls eine Reduzierung: Vermögen ist danach erheblich, wenn es in der Summe 40.000 Euro für die leistungsberechtigte Person und 15.000 Euro für jede weitere mit dieser in Bedarfsgemeinschaft lebende Person überschreitet. Der erste Bundestagsbeschluss hatte Grenzen von 60.000 Euro bzw. 30.000 Euro vorgesehen.
Die bisherige Eingliederungsvereinbarung wird im Bürgergeld-Gesetz durch einen Kooperationsplan abgelöst, den Leistungsberechtigte und Integrationsfachkräfte gemeinsam erarbeiten.
Gänzlich entfallen wird nach dem Vermittlungsergebnis die vom Bundestag ursprünglich beschlossene Vertrauenszeit, in der auch bei Pflichtverletzungen keine Sanktionen verhängt worden wären. Pflichtverletzungen können also weiter von Anfang an sanktioniert werden.
Außerdem sieht das Gesetz höhere Freibeträge für Nebenjobs für Schüler*innen, Studierende und Auszubildende vor.
Das Bürgergeld wird zu wesentlichen Teilen am 01.01.2023 in Kraft treten.
Quelle: Bundesrat KOMPAKT vom 25.11.2022 (TOP 41)
Harald Thomé fasst in seinem Newsletter die Eckpunkte des Bürgergeld-Gesetzes zusammen und kritisiert u.a. die nach wie vor zu geringen Regelleistungen, die weiterhin entstehende Wohnkostenlücke und das fehlende Aufrechnungsmoratorium (Aufrechnung von behördlichen Ansprüchen bis unter das Existenzminimum).
Sein Fazit: "Armut, Sanktion und Drangsalierung per Gesetz bleibt Realität."
Das Narrativ von der nicht lohnenden Arbeit
Auf dem Portal Sozialpolitik finden sich differenzierte Daten und Erläuterungen zum Thema Lohnabstand. Viele in den Medien kursierende Rechenbeispiele gehen von falschen Voraussetzungen aus, die Johannes Steffen richtigstellt. Demnach hat derjenige, der arbeitet immer mehr gegenüber dem Bürgergeld-Beziehenden.
Grafik Wer arbeitet, hat immer mehr (Bürgergeld und Mindestlohn)
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Als absolut enttäuschend kritisiert der Paritätische Wohlfahrtsverband den Kompromiss zum Bürgergeld.
"Hartz IV bleibt Hartz IV", so Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider. Hartz IV bekäme zwar neue Akzente Richtung Bildung und Weiterbildung, die der Verband sehr begrüße, auch sei das einjährige Wohnungsmoratorium besser als gar keine Neuregelung, von einer Überwindung von Hartz IV hin zu einem Bürgergeld sei der Kompromiss jedoch denkbar weit entfernt.
Weiterhin bleibe das negative Menschenbild des trägen Hilfesuchenden und Vorstellungen einer überholten Rohrstockpädagogik prägend. Die Erhöhung der Regelsätze um 11 Prozent auf 502 Euro sei gerade einmal ein Inflationsausgleich, der die Menschen längst nicht aus der Armut führe. Der Verband verweist auf eigene Berechnungen, wonach ein bedarfsdeckender Regelsatz 725 Euro betragen müsste."
Quelle: Pressemitteilung des Paritätischen vom 22.11.2022
Diakonie-Präsident Ulrich Lilie erkläret dazu: "Wenigstens ein größerer Teil der Inflationslasten wird ausgeglichen, mehr sozialer Arbeitsmarkt, Beratung und Sozialarbeit sind versprochen. Verstörend ist in Zeiten einer komplexen und eben auch sozialen Krise die politische Fixierung auf eine Logik der Sanktionen und alte Slogans, die die Debatte geprägt haben. Das erinnert nicht nur an schwarze Pädagogik, es ist ein politischer Mythos, dass Leistungsberechtigte nur unter Zwang reagieren oder dass man ihnen mit Verlust der Altersvorsorge oder Wohnung drohen müsste, damit sie sich nicht einrichten.
Richtig ist vielmehr: Mehr als die Hälfte der Leistungsbeziehenden blieb trotz schärfster Sanktionen und guter Wirtschaftslage jahrelang im Leistungsbezug - schlicht, weil es keine Alternativen gab und gibt. Der Ansturm bei den Tafeln zeigt, dass selbst im Leistungsbezug das Lebensnotwendige kaum gewährleistet ist.
Selbstverständlich braucht es für Veränderungen in der persönlichen Situation engagiertes Mitwirken. Lösungen für multiple persönliche und soziale Problemlagen lassen sich aber nicht wegzwingen. Nur ein minimaler Teil der Menschen im Leistungsbezug war bisher Ziel von Sanktionen – und sie sind oft persönlich besonders belastet. Mit der weiteren Ausgestaltung des Bürgergeldes gehört die passgenaue Unterstützung in den Vordergrund. Schlechtreden hilft aber nicht gegen Armut.“