EuGH entscheidet zu SCHUFA-Scoring und Speicherfristen
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am 07.12.2023 die mit Spannung erwarteten Urteile zum Scoring und den Speicherfristen der SCHUFA gefällt.
Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) steht zwei Datenverarbeitungspraktiken von Wirtschaftsauskunfteien entgegen. Während das "Scoring" nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig ist, steht die längere Speicherung von Informationen über die Erteilung einer Restschuldbefreiung im Widerspruch zur DSGVO.
Scoring
Der EuGH hat entschieden, dass das Scoring-System der SCHUFA dann verboten ist, wenn sich Kunden der SCHUFA, wie z.B. Banken, bei der Entscheidung über einen Vertragsabschluss "maßgeblich" (d.h. allein) darauf stützen. Das „Scoring“ ist ein mathematisch-statistisches Verfahren, das es ermöglicht, die Wahrscheinlichkeit eines künftigen Verhaltens, wie etwa die Rückzahlung eines Kredits, vorauszusagen.
Wichtige Entscheidungen dürfen nach der DSGVO nicht allein auf Basis von automatisiert verarbeiteten Daten - also ohne Mitwirkung eines Menschen - getroffen werden, so der EuGH.
Ausnahmen sind möglich, da es im Bundesdatenschutzgesetz eine entsprechende Ausnahmevorschrift gibt.
Das Verfahren liegt damit wieder beim Verwaltungsgericht Wiesbaden, von wo es an den EuGH verwiesen wurde. Das Verwaltungsgericht muss sich nun insbesondere mit der Frage beschäftigen, ob die Ausnahmevorschrift im Bundesdatenschutzgesetz selbst überhaupt rechtmäßig ist. Im zugrundeliegenden Verfahren hatte es hieran bereits Zweifel geäußert.
Datenspeicherung
Der EuGH hat weiter entschieden, dass private Auskunfteien wie die SCHUFA Bekanntmachungen aus öffentlichen Verzeichnissen wie dem Insolvenzregister nicht länger speichern dürfen als das öffentliche Insolvenzregister selbst, also 6 Monate. Das stehe im Widerspruch zur DSGVO.
"Die erteilte Restschuldbefreiung soll nämlich der betroffenen Person ermöglichen, sich erneut am Wirtschaftsleben zu beteiligen, und hat daher für sie existenzielle Bedeutung. Diese Informationen werden bei der Bewertung der Kreditwürdigkeit der betroffenen Person stets als negativer Faktor verwendet."
Mittlerweile hat die SCHUFA die Speicherdauer freiwillig auf sechs Monate verkürzt, weshalb für sie keine unmittelbaren Konsequenzen aus dem Urteil folgen.
Der EuGH hat aber ausdrücklich offengelassen, ob möglicherweise auch die parallele Speicherung während der sechs Monate unzulässig ist. Auch diese Entscheidung muss jetzt das Verwaltungsgericht Wiesbaden treffen.
Quelle: Pressemitteilung des EuGH vom 07.12.2023
Hörtipp
Der NDR hat auf seinen Seiten aus aktuellem Anlass einen Podcast zur SCHUFA produziert:
Blackbox Schufa: Ein umstrittenes System
Der Podcast erklärt sehr gut das System SCHUFA und vor allem das Scoring und seine praktischen Folgen in unser aller Leben.
Sehr hörenswert!
SZ: Schufa-Score entscheidet über Strom- und Gasverträge; Score mehr Kommunikationsproblem als Geschäftsgeheimnis?
Aktuelle Recherchen von NDR und Süddeutscher Zeitung (SZ) zeigen, dass viele Unternehmen verschiedenenr Branchen nach wie vor die Bonitätsbewertung der Schufa einsetzen, um zu entscheiden, ob sie mit potenziellen Kunden eine Vertragsbeziehung - etwa für Handy, Jobticket, Energieversorgung - eingehen und unter welchen Bedingungen. NDR und SZ befragten dazu fast hundert große Unternehmen in Deutschland, ob solche Bewertungen für sie bei Vertragsentscheidungen maßgeblich seien.
Dabei bestätigten mehrere große Energieversorger, dass sie den Score heranziehen, um Neukunden zu beurteilen. Wem die Schufa eine gute Zahlungsfähigkeit bescheinigt, der bekommt von den Energieversorgern einen Sondervertrag mit günstigen Konditionen. Wer weniger gut beurteilt wird, muss in die teurere Grundversorgung. Auch bei größeren Verkehrsunternehmen ist der Score ausschlaggebend bei der Frage, ob Abonnements abgeschlossen werden, ebenso bei Versandhändlern, gerade um die Bonität von Neukunden zu beurteilen. Zwei große Zahlungsdienstleister sagten ebenfalls, für sie sei der Score wichtig.
Interessant an dem verlinkten Artikel ist auch, dass die SCHUFA selbst ihre Scoring-Merkmale teils für "kaum kommunizierbar" hält. Von 70 Merkmalen wurden nur 17 als uneingeschränkt "gut für die Verbraucherkommunikation" eingeschätzt.
Die Recherchen legen nahe, dass der von der Schufa oft auch als "Coca-Cola-Formel" bezeichnete Score intern offenbar mehr als Kommunikationsproblem denn als Geschäftsgeheimnis gesehen wird.
Quelle: Pressemitteilung der Süddeutschen Zeitung vom 04.12.2023