Fakten zum Bürgergeld - Massive Kritik an Verschärfung von Sanktionen gegen Erwerbslose
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat die gängigen Missverständnisse und Falschaussagen zum Bürgergeld zusammengestellt und ihnen Richtigstellungen gegenübergestellt. Die Aussagen sind im Detail mit Quellen hinterlegt und daher nachvollziehbar.
Berücksichtigt ist auch die 100%-Sanktionierung, die Bundestag und Bundesrat im Rahmen der Verabschiedung des Haushaltsgesetzes am 02.02.2024 beschlossen haben.
Nicht nur aus Sicht der Wohlfahrtsverbände sind diese geplanten Maßnahmen unverhältnismäßig und können auch verfassungswidrig sein.
Der Paritätische Gesamtverband weist darauf hin, dass durch die Streichung existenzsichernder Regelleistungen die Betroffenen, die vielfach eigentlich auf individuelle Beratung und Hilfe in schwierigen Lebenssituationen angewiesen wären, in Not und Überschuldung getrieben würden.
Etwa ein Drittel der Leistungsbeziehenden in der Grundsicherung für Arbeitsuchende seien von psychischen Beeinträchtigungen betroffen. Bei vielen, die von Sanktionen bedroht sind, lägen körperliche Beeinträchtigungen, Sprachprobleme und Leseschwächen vor. Die Kalkulation zum möglichen Einsparpotenzial durch die geplanten Maßnahmen hält der Verband entsprechend für vollkommen unrealistisch. "Um 170 Millionen Euro im Jahr einzusparen, müssten etwa 150.000 Bürgergeldbeziehende entsprechend sanktioniert werden. So viele willentliche Verweigerer gibt es nicht", stellt Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands klar. "Es ist ein Zerrbild, dass die Menschen sich in großer Zahl in die soziale Hängematte legen. Statt Drohgebärden und Strafen, die existenzielle Nöte noch verschärften, brauche es pragmatische Unterstützungsmaßnahmen", so der Paitätische.
Auch die Diakonie Deutschland kritisiert in ihrer Kurzbewertung die Wiedereinführung der 100%-Sanktionierung deutlich und stellt die Verfassungsmäßigkeit der geplanten Regelungen in Frage. Wie bereits 2019 durch das Bundesverfassungsgericht klargestellt, stellt die vollständige Streichung des Regelbedarfs und damit des gesetzlich garantierten Existenzminimums einen schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte dar. Sanktionen treffen in erster Linie Menschen mit psychischen Erkrankungen, Leseschwierigkeiten, mangelnden Sprachkenntnissen, persönlichen Krisen oder Suchtkrankheiten. Aus der Praxis der Beratung ist bekannt, dass Sanktionierungen die Lage Betroffener verschärfen und nicht zur Lösung ihrer individuellen Problemlagen beitragen.
Wer tiefer in das Thema einsteigen will, dem sei der Blog von Prof. Dr. Stefan Sell empfohlen. Unter dem Titel "Zahlen bitte! Sanktionen im Hartz IV- bzw. im Bürgergeld-System. Und potemkinsche "Einsparungen" mit den geplanten Verschärfungen der Sanktionen im SGB II" liefert er den wissenschaftlichen Hintergrund zur Debatte um Sanktionen. Er bereitet die allgemeinen Sanktionszahlen in ihrer Entwicklung über die Jahre auf und kommt zu dem Schluss, dass es sich un eine "reine Luftbuchung" handeln muss. Die von der Bundesregierung erwarteten Einsparungen von 170 Mio. € sind mit 2.200 wegen der Weigerung der Aufnahme oder Fortführung einer Arbeit sanktionierten Personen (Stand August 2023) nicht zu erreichen.