iff-Gutachten "Kreditwürdigkeitsprüfung - zwischen Überschuldungs- und Datenschutz. Perspektiven zur nationalen Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie"
Knapp jeder Fünfte hat aufgrund gestiegener Lebenshaltungskosten Probleme, einen aufgenommenen Kredit zu tilgen. Jüngere sind davon deutlich häufiger betroffen als Ältere. Das ergab eine Online-Befragung des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv). Der vzbv fordert Verbraucher*innen bereits bei der Kreditvergabe besser zu schützen und stellt gemeinsam mit dem Institut für Finanzdienstleistungen (iff) ein Gutachten vor.
Das Gutachten „Kreditwürdigkeitsprüfung – zwischen Überschuldungs- und Datenschutz: Perspektiven zur nationalen Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie“ wurde am 4. Juni vorgestellt.
"Die überarbeitete neue Verbraucherkreditrichtlinie (neue VerbKrRL) sieht verschiedene Änderungen für Konsumentenkredite vor, die zu Verbesserungen für Verbraucher:innen führen – vor allem im Bereich der Überschuldungsprävention. Das Gutachten fokussiert auf die zentrale Frage, inwieweit Verbraucher:innen durch die [gesetzliche Pflicht zur] Kreditwürdigkeitsprüfung vor Überschuldung geschützt werden können, ohne den Schutz personenbezogener Daten zu verletzen. In den Blick genommen werden die Ratenkredite sowie Buy-Noy-Pay-Later-Angebote.
Das Gutachten untersucht die aktuelle Rechtslage sowie Praxis und vergleicht diese mit den durch die neue VerbKrRL eingeführten Verbesserungen und Änderungen, die bis 20.11.2025 ins nationale Recht umzusetzen sind. Dabei legt das Gutachten den Fokus darauf, ob trotz zahlreicher Verbesserungen der neuen VerbKrRL eventuelle Schutzlücken bestehen. Zudem setzt sich das Gutachten mit den datenschutzrechtlichen Aspekten auseinander, insbesondere auf welcher Grundlage die für die Kreditwürdigkeitsprüfung erforderlichen personenbezogenen Daten verarbeitet werden dürfen.
Zur Gewährleistung des Überschuldungsschutzes und Schutzes personenbezogener Daten schließt das Gutachten mit folgenden Feststellungen und Empfehlungen ab:
- Die Ausweitung des Anwendungsbereichs der Anforderungen an die Kreditwürdigkeitsprüfung durch die neue VerbKrRL auf Kurzzeit- und Minikredite ist aus der Perspektive des Überschuldungsschutzes zu begrüßen. Dies hat zur Folge, dass die Anbieter der Buy Now, Pay Later-Kredite verpflichtet sein werden, vor dem Abschluss des Kreditvertrages eine Kreditwürdigkeitsprüfung durchzuführen. [...]
- Für den Überschuldungsschutz ist bei der Kreditwürdigkeitsprüfung vor allem die Schuldentragfähigkeit der kreditaufnehmenden Person zu prüfen, die sich in Übereinstimmung mit der neuen VerbKrRL an der Wahrscheinlichkeit der Rückzahlung auszurichten hat. [...]
- Bonitätsscores sollten also nie alleinige Grundlage zur Entscheidung über die Kreditwürdigkeit sein. [...]
- Derzeit können Daten auf freiwilliger Basis an ein Kreditinstitut übermittelt werden, um durch den Kontoblick die Kosten für die Kreditwürdigkeitsprüfung zu verringern. Ziel sollte aber sein, dass Verbraucher:innen niedrigschwellige Möglichkeiten zum Widerruf der Einwilligung haben – das ist derzeit leider nicht der Fall. [...]
- Wir empfehlen daher, für Kreditwürdigkeitsprüfungen ein grundsätzliches Verarbeitungsverbot für die sensiblen Daten einzuführen, welches auch nicht durch eine Einwilligung aufgehoben werden kann. [...]
- Nach derzeitiger Rechtslage unterliegen die Kreditgeber lediglich bei den Immobilienkrediten einer Dokumentations- und Aufbewahrungspflicht. Die neue VerbKrRL stärkt dabei die Verbraucherrechte, indem die bestehende Dokumentations- und Aufbewahrungspflicht des Kreditgebers bei Immobilienkrediten auf Ratenkredite ausgeweitet wird. Zum Zwecke der effektiven Durchsetzung der Verbraucherrechte sollte die Dokumentations- und Aufbewahrungspflicht des Kreditgebers aber künftig auch mit einer Aushändigungspflicht kombiniert werden."
Quelle: iff-Pressemitteilung vom 04.06.2024 (vollständige PM unter dem Link)
Unter dem Link finden Sie die Pressemitteilung des Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv), die das Positionspapier "Überschuldungs- und Datenschutz in der Kreditvergabe stärken" mit Vorschlägen für einen wirksamen Schutz vor Überschuldung und einer ausufernden Datenverarbeitung im Rahmen der nationalen Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie enthält.
Ebenfalls unter dem Link finden Sie die Untersuchung vzbv zu Ver- und Überschuldungsgründen unter Schuldnerberatungen in Deutschland.
Der vzbv sieht einen deutlichen politischen Handlungsbedarf und fordert:
- die Konkretisierung der Pflicht zur Kreditwürdigkeitsprüfung, sodass Kreditgeber die individuellen und regelmäßigen Ein- und Ausgaben prüfen müssen. Dies muss insbesondere für die Kreditwürdigkeitsprüfung bei Buy Now, Pay Later-Krediten gelten
- eine individuelle Einräumung von Dispositionskrediten in einer Höhe, die eine Rückzahlung in vollem Umfang innerhalb von 12 Monaten ermöglicht
- eine Verpflichtung der Kreditgeber zum Angebot von flexibleren Rückzahlungsbedingungen in Form einer Ratenreduzierung oder Stundung im Fall von Rückzahlungsschwierigkeiten der Verbraucher*innen
- das Verbot von Werbebotschaften, die die Schnelligkeit der Kreditvergabe betonen, eine Kostenreduzierung des zu finanzierenden Produktes versprechen oder die Möglichkeit einer kostenlosen Stundung hervorheben
- die Schaffung eines kostenfreien Zugangs zu unabhängigen und sozialen Schuldnerberatungsstellen für alle Verbraucher*innen unabhängig von etwaigem Transferleistungsbezug